Deepfakes: Wenn plötzlich Vitali Klitschko anruft
01.07.2022 | Stellen Sie sich vor, Sie wären Bürgermeister*in von Berlin und Vitali Klitschko, seines Zeichens amtierender Bürgermeister von Kiew, bittet um einen Video-Call. Was würden Sie tun? Drangehen, oder? Das dachte sich auch Franziska Giffey. Doch das Gespräch nahm eine unerwartete Wendung.
Am 24. Juni traf sich die regierende Berliner Bürgermeisterin online mit Vitali Klitschko – das dachte sie zumindest. Im Gespräch stellte sich recht schnell heraus, dass die Person zwar aussah wie Kiews Bürgermeister, es jedoch nicht sein konnte. Daraufhin brach die Politikerin die Unterhaltung ab. Auch die Bürgermeister von Madrid und Wien fielen auf den Betrüger herein, doch wie konnte das passieren? Handelte es sich um einen Deepfake?
Was genau sind eigentlich Deepfakes und wie gefährlich kann diese Betrugsmasche werden?
Was sind Deepfakes?
Der Begriff ist eine Kombination aus den Wörtern „Deep Learning“, dem maschinellen Lernen, und „Fake“, was Fälschung bedeutet. Bei Deepfakes werden Menschen so täuschend echt simuliert, dass man dies weder im Video noch an der Stimme erkennen kann.
Als Grundlage wird z.B. ein Sprecher aufgenommen. Dank Künstlicher Intelligenz wird sein Gesicht und seine Stimme neu berechnet und einem Ideal angeglichen. Dieses Ideal ist meistens eine prominente Person wie Donald Trump, Michael Caine, Mark Zuckerberg oder Barack Obama, von der ausreichend Video- und Tonmaterial existiert. Mit diesem Material wird die Künstliche Intelligenz „gefüttert“, sodass diese lernen kann, wie sich die Person bewegt, lächelt, redet und spricht. Dank dieser Informationen wird der Sprecher vor der Kamera in das Ideal verwandelt.
Eines der prominentesten und unterhaltsamsten Beispiele für Deepfakes findet sich auf TikTok, wo der Belgier Chris Umé regelmäßig Videos postet, in denen man vermeintlich Tom Cruise in den unterschiedlichsten Situationen erlebt – beim Golfspielen, auf dem roten Teppich oder gemeinsam mit Paris Hilton. Nur, dass es sich nicht wirklich um Tom Cruise handelt, sondern um täuschend echte Deepfakes.
Deepfakes sind nicht neu, sondern werden schon länger von der Filmindustrie eingesetzt, um z.B. bereits verstorbene oder jüngere Versionen der Schauspieler nachträglich einzufügen. So wurde Oliver Reed, der während des Films Gladiator 1999 an einem Herzinfarkt starb, mithilfe von Computeranimationen nachgebaut. Aber auch in Terminator 6 Dark Fate mussten die Charaktere von Arnold Schwarzenegger und dem jungen Edward Furlong auf das Aussehen von 1991 zurückgebracht werden.
Viele dieser „Fakes“ sehen so täuschend echt aus, dass Laien die künstlichen Doppelgänger nicht mehr von den Originalen unterscheiden können. Mittlerweile sind Deepfakes auch in Echtzeit für Videostreams möglich, wie das aktuelle Beispiel mit dem falschen Vitali Klitschko zeigen. Damit eröffnet sich eine neue Dimension der Bedrohung, die mit dieser Technologie einhergeht.